Perspektive

Was wissen die Demokraten über Trumps Diktaturpläne und Kriegsverbrechen?

Elissa Slotkin, Senatorin (Demokraten) aus Michigan, Washington, 26. Juni 2025 [AP Photo/Kevin Wolf]

In der vergangenen Woche ist im amerikanischen Staatsapparat eine beispiellose politische Krise ausgebrochen. Am Dienstag, dem 18. November, veröffentlichten sechs Kongressabgeordnete der Demokraten ein kurzes Video, in dem sie Angehörige des US-Militärs aufforderten, jegliche allenfalls von Trump erteilten illegalen Befehle zu verweigern..

Die sechs Parlamentarier – die Senatoren Mark Kelly und Elissa Slotkin sowie die Abgeordneten Jason Crow, Maggie Goodlander, Chrissy Houlahan und Chris Deluzio – sind allesamt langjährige oder ehemalige Geheimdienstmitarbeiter.

Das 90-sekündige Video bezog sich zwar auf geltendes Recht, richtete sich jedoch ganz klar gegen die immer lauter werdenden Verschwörungsversuche der Trump-Regierung, die, wie es hieß, „unsere uniformierten Militär- und Geheimdienstmitarbeiter gegen amerikanische Bürger aufhetzt (...) Unserer Verfassung droht derzeit nicht nur aus dem Ausland Gefahr, sondern auch aus unserem eigenen Land.“ Weiter heißt es: „Unsere Gesetze sind eindeutig. Illegale Befehle können Sie verweigern (...) Illegale Befehle müssen Sie verweigern. Niemand ist verpflichtet, Befehle auszuführen, die gegen das Gesetz oder unsere Verfassung verstoßen.“

In der ABC-Sendung „This Week“ sagte Elissa Slotkin: „Es gibt so etwas wie illegale Befehle. Deshalb steht das auch im Militärstrafgesetzbuch. Das geht zurück auf Nürnberg, nicht wahr?“ Sie bezog sich damit auf die Kriegsverbrecherprozesse nach dem Zweiten Weltkrieg, die Nürnberger Prozesse, in denen Nazi-Offiziere mit der Behauptung, sie hätten „nur Befehle ausgeführt“, nicht durchkamen.

Das sind Aussagen, wie sie inmitten eines Militärputschs fallen. Trump reagierte darauf mit faschistischer Wut. In Kommentaren auf Truth Social verurteilte der Präsident die Abgeordneten als „Verräter“ und beschuldigte sie „aufrührerischen Verhaltens, das mit dem Tod bestraft werden kann“. Er teilte den Kommentar von jemand anderem, der die Hinrichtung dieser Kongressabgeordneten forderte, und fügte hinzu: „So ist man früher mit Leuten umgegangen, die korrupt waren und unser Land verraten haben.“

Seitdem hat jeder der sechs Demokraten Hunderte von Morddrohungen erhalten. Am Montag gab das US-Kriegsministerium bekannt, dass es eine Untersuchung gegen Senator Kelly aus Arizona eingeleitet habe, mit dem Ziel, ihn wieder in den Aktivdienst zu versetzen und ihn wegen seiner Beteiligung an der Video-Produktion vor ein Militärgericht zu stellen. Am Dienstag teilte ein Sprecher des Justizministeriums Reuters mit, dass das FBI gedenke, die sechs Kongressabgeordneten zu befragen.

Diese außergewöhnliche Konfrontation zwischen Exekutive und Legislative und das Gewaltpotenzial, das dabei zu Tage tritt, zeigen die Heftigkeit des Konflikts, der innerhalb der amerikanischen Führungselite tobt. Die Frage drängt sich auf: Was wissen die sechs Demokraten über Trumps Pläne für eine Diktatur und für illegale Militäroperationen? Was ist so alarmierend, dass sie sich gezwungen sahen, zum Ungehorsam gegenüber unrechtmäßigen Befehlen aufzurufen?

Die sechs Demokraten sind keine Vertreter der „Linken“, sie stehen in keiner Weise in Verbindung mit lautstarker Opposition gegen Trumps faschistische Politik. Im Gegenteil, alle sechs gelten als „Mainstream“-Demokraten, d. h. sie gehören zum reaktionären politischen Establishment, das immer betont hat, wie wichtig es sei, mit Trump eine „gemeinsame Basis“ zu finden.

Fünf der sechs wechselten direkt aus dem Militär oder dem Geheimdienst in den Kongress. Elissa Slotkin ist eine ehemalige CIA-Agentin; sie war schon im Irak eingesetzt und hat hohe Ämter im Außenministerium und im Pentagon bekleidet. Mark Kelly, der prominenteste von ihnen, ist ein ehemaliger Astronaut und Ehemann der ex-Abgeordneten Gabby Giffords. Jason Crow, ein früherer Army Ranger, war maßgeblich an Trumps erstem Amtsenthebungsverfahren beteiligt. Chris Deluzio und Chrissy Houlihan dienten in der Marine und in der Luftwaffe, und Maggie Goodlander, eine ehemalige Geheimdienstoffizierin, ist mit Bidens nationalem Sicherheitsberater Jake Sullivan verheiratet.

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass alle sechs enge und fortwährende Verbindungen zum Militär- und Geheimdienstapparat unterhalten. Wenn sie vor illegalen Befehlen warnen, dann deshalb, weil sie über Informationen verfügen, die sie der Öffentlichkeit vorenthalten.

Als sie beschlossen, eine gemeinsame Videoerklärung zu veröffentlichen, um das Militärpersonal aufzuforderten, illegale Befehle abzulehnen, fungierten sie als Sprachrohr eines Flügels der militärisch-geheimdienstlichen Elite, der sich Sorgen darüber macht, dass Trumps Politik, sowohl außen- als insbesondere auch in der Innenpolitik, das Militär diskreditieren könnte, was eine politische Explosion in der Arbeiterklasse provozieren könnte.

In ihren Aussagen in der ABC-Sendung „This Week“ warnte Slotkin vor drohenden Militäreinsätzen im Inland. Sie sagte: „Meine größte Sorge ist der Einsatz des US-Militärs an amerikanischen Küsten, in unseren Städten und auf unseren Straßen (...) Wenn man sich diese Videos aus Orten wie Chicago ansieht, macht mich das unglaublich nervös, denn bald werden wir erleben, wie Polizeikräfte und Menschen in Militäruniform nervös werden, unter Stress geraten und auf amerikanische Zivilisten schießen.“

Jason Crow wurde in der CBS-Sendung „Face the Nation“ gefragt, welche unrechtmäßigen Befehle er denn von Trump befürchte. Er antwortete: „Nun, Truppen nach Chicago schicken, Soldaten in Wahllokale schicken, die Familien von Terroristen töten, Kongressabgeordnete verhaften und hinrichten, friedliche Demonstranten auf dem Lafayette Square erschießen (...) Er hat so etwas schon gemacht.“

Slotkin sagte noch: „Es gibt juristische Verrenkungen im Zusammenhang mit den Angriffen in der Karibik und allem, was mit Venezuela zu tun hat“, und sie fügte hinzu: „Angesichts des schieren Ausmaßes der militärischen Aufrüstung in und um Venezuela muss man davon ausgehen, dass Supermächte, wenn sie so viel Gewalt in einem Gebiet aufbauen, diese auch einsetzen werden.“

Alle Demokraten vermeiden es  jedoch, einen konkreten Militärbefehl Trumps zu benennen, den sie für rechtswidrig halten. Slotkin sagte sogar, dass noch kein solcher Befehl erteilt worden sei, ihre Warnung sei rein präventiv. Solche Aussagen sind nicht glaubwürdig. Trump hat bereits wiederholt gegen den Posse Comitatus Act verstoßen, zunächst indem er Soldaten an der Grenze zwischen den USA und Mexiko stationierte, um Migranten aufzugreifen, dann durch die Entsendung von Truppen in US-amerikanische Städte.

Hinter dem Schweigen der Demokraten und ihrem Bemühen, alle Verantwortung auf die einzelnen Soldaten abzuwälzen, die die illegalen Befehle verweigern sollen, steht ein eindeutiges politisches Kalkül. Sie lenken die öffentliche Aufmerksamkeit von der Tatsache ab, dass die Demokraten nichts unternommen haben, um Trumps verfassungswidriges Handeln zu stoppen und ihn des Amtes zu entheben.

Der Kongress hat noch nicht einmal eine Anhörung zu Trumps illegalem Truppeneinsatz im Innern, in den amerikanischen Städten, abgehalten. Dafür weisen die Demokraten den Republikanern die Schuld zu, die in beiden Kongresskammern eine knappe Mehrheit haben. Wären die Machtverhältnisse jedoch umgekehrt, würde eine aggressive republikanische Minderheit nicht zögern, die Arbeit einer Regierung der Demokraten lahmzulegen.

Die Demokraten wissen sehr genau, dass Trump und sein engster Kreis faschistischer Berater, zu denen Stephen Miller und Vizepräsident JD Vance gehören, die Errichtung einer präsidialen Diktatur vorbereiten. Dies zeigt sich sogar in den Äußerungen von Trumps Sprechern, wenn zum Beispiel Pressesprecherin Karoline Leavitt erklärt: „Jeder einzelne Befehl, den dieser Oberbefehlshaber dem US-Militär und über die Befehlskette bis zum Kriegsminister erteilt, ist rechtmäßig.“

Richard Nixon brachte es während der Watergate-Krise, die seine Präsidentschaft beendete, noch deutlicher auf den Punkt: „Wenn der Präsident es tut, ist es nicht illegal.“ Ein halbes Jahrhundert später hat die Krise der amerikanischen Demokratie einen Punkt erreicht, an dem dieses autoritäre Prinzip zur Grundlage der US-Regierung geworden ist.

Hinzu kommt noch die Frage nach dem Zeitpunkt, an dem das Video veröffentlicht wurde. Das 90 Sekunden lange, professionell produzierte Video mit durchgeplantem Drehbuch wurde nicht über Nacht erstellt. Die Demokraten haben ihren Appell an die Soldaten nicht im Juni veröffentlicht, als Trump die Marines mobilisierte und in Los Angeles einsetzte, und auch nicht Mitte August, als er die Nationalgarde nach Washington DC schickte. Sie haben es auch nicht im September getan, als Trump und Verteidigungsminister Pete Hegseth eine Sitzung mit Generälen und Admiralen einberiefen, um dem „inneren Feind“ den Krieg zu erklären. Warum nicht? Und warum gerade jetzt?

Die Erklärung könnte sein, dass die Demokraten ihren Videoappell als Reaktion auf Berichte publizierten, wonach Trump dabei ist, dem kollabierenden Selenskyj–Regime in der Ukraine den Stecker zu ziehen, was faktisch die Niederlage im Krieg mit Russland, der nun schon seit 46 Monaten andauert, bedeuten würde. Die Demokraten und sogar ein Teil der Republikaner betrachten Trumps „Friedensplan“ als inakzeptabel, sie haben ihn als Verrat am ukrainischen Regime scharf kritisiert. Das Video der sechs Demokraten tauchte nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des „Friedensplans“ in der Öffentlichkeit auf.

Im Zentrum der Opposition der Demokraten gegen Trump stand schon immer der Krieg gegen Russland. Trump selbst ist zwar ein fanatischer Militarist, hat jedoch eine andere geostrategische Ausrichtung. Er vertritt jene Fraktion der herrschenden Elite, die ihren Schwerpunkt auf die „Sicherung der Heimatfront“ – sowohl in Lateinamerika und Kanada als auch in Grönland – und auf die Errichtung eines Polizeistaats im Innern der Vereinigten Staaten selbst legt, um sich auf einen Krieg mit China vorzubereiten.

Was auch immer das unmittelbare Motiv dafür sein mochte, dass die Demokraten das Video jetzt publiziert haben, – das Video selbst und die heftige Reaktion der Trump-Regierung darauf offenbaren den tatsächlichen und fortgeschrittenen Stand der Vorbereitungen auf eine Diktatur in den Vereinigten Staaten.

Dieser Prozess wurzelt wesentlich in den tiefen Widersprüchen des amerikanischen Kapitalismus und der Herrschaft einer schmalen Finanzoligarchie über die Gesellschaft. Die wachsende Gefahr einer Diktatur wird dadurch angetrieben, dass der Konflikt zwischen den gesellschaftlichen Bedürfnissen der großen Mehrheit und der parasitären Elite, die unaufhörlich Reichtum scheffelt, unüberbrückbar geworden ist.

Die Demokratische Partei ist bei all ihren gelegentlichen Warnungen nicht in der Lage, einen wirklichen Widerstand gegen die Trump-Diktatur zu leisten. Sie hat an jedem entscheidenden Wendepunkt mit Trump zusammengearbeitet. So zuletzt bei der Abstimmung über die Beendigung des jüngsten Regierungsstillstands zu seinen Bedingungen. Ihr Hauptanliegen ist nicht die Verteidigung demokratischer Rechte, sondern die Erhaltung des kapitalistischen Systems – und die Glaubwürdigkeit des Militär- und Geheimdienstapparats.

Die dringende Aufgabe besteht nun darin, die Arbeiterklasse als unabhängige politische Kraft zu mobilisieren. Die Verteidigung demokratischer Rechte ist untrennbar mit dem Kampf gegen Krieg, Ungleichheit und Ausbeutung verbunden. Deshalb muss der Kampf für Demokratie mit dem Kampf für Sozialismus verbunden werden.

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